Vom Truppenübungsplatz zum Biosphärengebiet
Als sich ab dem Jahr 2001 abzeichnete, dass die Truppenstandorte in Münsingen inklusive des Truppenübungsplatzes (1) geschlossen werden sollten, ergab sich für den Naturschutz eine einmalige Chance. Das Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes wurde durch die militärische Nutzung vor der Zersiedlung und Zerschneidung bewahrt. Dadurch stellt sie in Baden Württemberg eine Besonderheit dar.
Die einzigartige Landschaft galt es zu
bewahren (2) und somit wurde sie zum Ausgangspunkt
für die Überlegungen ein Biosphärengebiet in Baden
Württemberg zu schaffen.
§ 28 des Landesnaturschutzgesetzes (3) bietet die rechtliche
Grundlage, um ein Biosphärengebiet ausweisen zu können. Es
war auch klar, dass man gleichzeitig die Anerkennung durch die
UNESCO anstreben wollte. Dafür mussten bestimmte Kriterien
erfüllt werden. Ein paar davon sollen näher
erläutert werden.
Um den Status eines UNESCO Bisphärereservates zu bekommen, muss die Gesamtfläche des Reservates in Zonen eingeteilt werden, die unterschiedliche Bedeutung und verschiedene Mindestgrößen haben.
Kernzone
Die Kernzonen müssen mindestens 3% der
Gesamtfläche aufweisen. Sie werden der natürlichen
Entwicklung überlassen. Die menschliche Nutzung ist daher
ausgeschlossen. Naturgemäß kamen dafür primär
nur Bereiche in Betracht, die bereits nicht oder kaum genutzt
worden sind. So wurden Kernzonen vor allen Dingen an den steilen
und bewaldeten Albtraufhängen ausgewiesen. Hang- und
Schluchtwälder stellen die typischen Biotope der Kernzone dar.
Es verwundert daher nicht, das die bereits seit einiger Zeit
ausgewiesene Bannwälder wie der Bannwald Nägelesfelsen
bei Bad Urach (ausgewiesen 1924) oder auch die deutlich
jüngeren Bannwälder Donntal, Pfanneberg,
Stöffelberg/Pfullinger Berg vollständig innerhalb einer
Kernzone liegen.
Die einzelnen ausgewiesenen Zonen sind dabei unterschiedlich
groß. Manche sind sogar recht klein. Ein nicht unerheblicher
Teil schafft nicht einmal die 30 Hektar Grenze. Auf der anderen
Seite gibt es gerade im Bereich des Truppenübungsplatzes sehr
große zusammenhängende Flächen, die im Maximum
(ohne Zerschneidung) mehr als 200 ha aufweisen.
Die Kernzonen umfassen im Biosphärengebiet insgesamt 2.645 ha
oder 3,1%. Damit wird die Hürde der Mindestanforderung knapp
genommen.
Pflegezone
In der Pflegezone finden sich die typischen,
kulturhistorisch gewachsenen Landschaften, die so bezeichnend
für die Schwäbische Alb sind. Mit weitem Abstand
überwiegen die in der Landesbiotopkartierung als
„Trocken- und Magerrasen, Wacholder- Zwergstrauch- und
Ginsterheiden jeweils einschließlich ihrer
Staudensäume“ (4) zusammengefassten
Biotope alle anderen Biotoptypen. Mehr als 1.300 Hektar wurden von diesem
Biotoptyp
kartiert.
Bezeichnend für diese Flächen ist, dass sie ihren
Charakter verlieren würden, würde man sie sich selbst
überlassen. Will man diese einmalige Landschaft erhalten, dann
muss pflegend eingegriffen werden.
Die Pflegezone muss mindestens
10 % der Gesamtfläche in Anspruch nehmen, mit den Kernzonen
zusammen mindestens 20 %. Diese Forderung wurde mit 35.410 ha
(41,5%) problemlos erfüllt. Kern- und Pflegezonen zusammen
unterliegen bereits zu ca. 90% einem Flächenschutz. Also einer
der vielen Schutzkategorien als da sind:
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie
(5)
(FFH Gebiet),
Vogelschutzgebiet, Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet.
Große zusammenhängende Pflegezonen finden sich im Norden
des Biosphärengebietes. Einen hohen Flächenanteil weisen
im Nordwesten beispielsweise die Orte Pfullingen, Bad Urach oder
Reutlingen auf. Der Nordosten des Biosphärengebiets besteht
fast ausschließlich aus Pflegezonen (Neidlingen, Weilheim,
Neuffen, Bissingen). Auch das verwundert nicht wirklich. Die
herrlichen Streuobstwiesenbestände
am Albtrauf rund um Neidlingen oder unterhalb der Limburg
sind bereits nach EU Recht
ausgewiesene Vogelschutzgebiete.
Dass der ehemalige Truppenübungsplatz im Gutsbezirk
Münsingen eine zentrale Stellung im Biosphärengebiet
einnimmt wird, mit einem Blick auf die Karte (6) ebenfalls sofort
deutlich. Diese einmalige unzerschnittene Fläche ist
vollständig entweder Kern- oder Pflegezone. Um das
Gelände richtig kennenzulernen, bietet sich an, eine
fachkundige Führung mitzumachen (7).
Je weiter man allerdings nach Süden kommt umso mehr nehmen
Kern- und Pflegezonen ab und der Anteil der Entwicklungszonen nimmt
zu.
Entwicklungszone
Als letztes bleibt dann noch die Entwicklungszone zu
beschreiben. Da der Mensch auch irgendwo bleiben muss, wird in der
Entwicklungszone dem wirtschaftenden Menschen keine
Einschränkung auferlegt. Stattdessen wird das hehre Ziel einer
vorbildlichen und nachhaltigen Entwicklung angestrebt.
Entwicklungszonen sind daher alle Siedlungs- und Verkehrsbereiche
sowie Flächen geringerer ökologischer Bedeutung.
Der Anteil der Entwicklungszone an der Gesamtfläche
beträgt 47.214 Hektar (55,4%).
Begriffsverwirrung
Um was handelt es sich jetzt eigentlich genau? Biosphärenreservat oder Biosphärengebiet? Nun, um beides. In Baden – Württemberg gibt es Biosphärengebiete (siehe §28 Landesnaturschutzgesetz), im Rest der Welt Biosphärenreservate. Wobei streng genommen das Biosphärengebiet Schwäbische Alb nach der Anerkennung durch die UNESCO nun auch ein Biosphärenreservat ist. Aber nur in diesem Zusammenhang, ansonsten bleibt es im offiziellen Sprachgebrauch natürlich ein Biosphärengebiet, denn als man sich im Land Gedanken um die Ausformulierung des Naturschutzgesetzes machte, fand man, dass der Begriff Reservat irgendwie unpassend ist. Vielleicht dachte man an die alten Indianer seinerzeit in den USA, abgeschoben auf ein unwirtliches Fleckchen Erde… Auf jeden Fall waren die Assoziationen mit dem Wort Reservat so negativ, das man lieber darauf verzichtete und zu dem Biosphärenreservat Biosphärengebiet sagte.