Karte
Urwald von morgen
Zunächst fällt das Gelände von der Verebnung um Kaisersbach sanft Richtung Murr ab. Folgt man der Verbindungsstraße zum Weiler Bruch, dann kreuzt bald der Schlittenweg, der durch den Bannwald führt. Der Schlittenweg hat an dieser Stelle sicherlich schon bessere Zeiten gesehen, denn hier ist er nur ein etwas breiterer unbefestigter Weg, der bereits mehr oder weniger stark bewachsen ist. Wir biegen also rechts in den Schlittenweg ab und schon bald entspricht der erste Eindruck höchstwahrscheinlich den Erwartungen, die sich in einem aufbauen, wenn man an einen Bannwald denkt: umgefallene Bäume, Leben und Vergehen in enger Verzahnung, urwaldartiges Mosaik unterschiedlicher Altersstrukturen. Der Bannwald ist gleichzeitig auch als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Bezeichnend ist, dass das Naturschutzgebietsschild unter einem Baum begraben liegt, wie um zu beweisen, dass hier wirklich alles völlig unbeeinflusst von Menschenhand ist.
Die natürliche Waldgesellschaft in diesem Gebiet ist der Buchen Tannenwald. Dass die Fichte der Brotbaum der deutschen Forstwirtschaft ist und war, das lässt sich hier gut beobachten. Der ebene Weg, dem wir folgen und bei dem wir immer wieder über einzelne Baumstämme klettern müssen, durchquert primär unterschiedlich alte Fichtenbestände. Die älteren sind zum Teil in Auflösung begriffen, die jüngeren differenzieren sich auf natürliche Weise aus, so ass zwischen den noch schwachen und jungen Fichten Unmengen dürrer Gerippe umgefallener Fichten liegen. Das entspricht weniger dem romantischen Bild eines Urwaldes und sieht mehr nach Chaos aus. Fast möchte man sagen: „Räumt doch mal auf“.
Ganz anders wirken da die oberhalb des Weges umgefallenen älteren Fichten. Ihr Tod wirkt würdevoller, majestätisch wäre das falsche Wort, denn an richtig alten, mächtigen Bäumen lebend oder tot herrscht noch Mangelware.
Nach einiger Zeit stößt der Weg auf eine geschotterte Forststraße. Auf diese biegen wir links Richtung Tal ab. Der Weg bildet gleichzeitig auch die östliche Grenze des Bannwaldes. Laut Karte des Landesvermessungsamtes durchquert ein weiterer Weg den Bannwald. Allerdings bedarf es etwas Phantasie, diesen zu entdecken und lange genug auf ihm auszuharren, um sich die Grotten und den Wasserfall des Steinhäusles anzuschauen.
Der Weg ähnelt einer Rückegasse – was er aber nicht sein kann, da die Bewirtschaftung des Waldes ruht. Folgt man dem Weg auf die Tannendickung zu, ignoriert dabei seine Zweifel, ob es sich denn hier wirklich um einen Weg handelt, kämpft ein paar Brombeeren nieder und sackt bei schlammigen Verhältnissen knöcheltief ein, dann stellt sich bald heraus, das tatsächlich ein Weg vorhanden ist. Einige Hundert Meter später findet man sogar an einer den Hang hinaufführenden Stelle eingebaute Stufen.
Das Erscheinungsbild des Waldes hat sich grundlegend
geändert. Nun sieht der Wald nicht mehr urwaldartig aus.
Stattdessen durchwandern wir einen hallenartigen mittelalten
Buchenbestand, der sich in der Schlußwaldphase
befindet. Eine hallenartige Struktur ist für
Buchenbestände allerdings kennzeichnend. Unabhängig ob es
sich um einen bewirtschafteten oder wie hier unbewirtschafteten
Wald handelt. Sie wird sich auch über einen sehr langen
Zeitraum nicht ändern. Die Buche ist eine Baumart, die
aufgrund des intensiven Schattens den sie wirft, kaum Vegetation
unter sich zulässt. Die Bestände weisen zwar im
Frühjahr vor dem Laubaustrieb eine reiche Bodenvegetation auf,
allerdings wird ein Buchenwald keine plenterartige Struktur
entwickeln, also kleinflächig aus Individuen unterschiedlichen
Alters und unterschiedlicher Höhe bestehen. Da die Buchenkrone
bis ins hohe Alter noch plastisch reagiert, werden Lücken im
Bestandesdach häufig schnell geschlossen. Fällt oder
stirbt also ein Baum aus der herrschenden Schicht, dann verbleibt
meist nicht lange genug eine Lücke im Bestandesdach in deren
Lichtkegel sich junge Bäume nach oben kämpfen
können.
Kommen wir in 30 Jahren wieder hierher, dann werden die Bäume
höchstwahrscheinlich nur dicker geworden sein.
Das Steinhäusle
Der namensgebende Höhepunkt des Bannwaldes ist das Steinhäusle. Betrachtet man die Grotte, dann ist der Grund für die Namensgebung unschwer zu erkennen. Das Felsenlabyrinth der schluchtartigen Einkerbung wird gebildet aus den harten Gesteinsschichten des Stubensandsteins. Die weicheren Materialien sind ausgeräumt worden und übrig blieb eine viele Meter abfallende steile Klinge, wo der Pfaffenbach sein Werk verrichtet hat und heute noch über einen kleinen Wasserfall Richtung Mettelberger Sägmühle fließt.
Eine reichhaltige Farnflora hat sich im luftfeuchten Klima gebildet. So sollten nach Angaben der Naturschutzverwaltung beispielsweise Bergfarn, Lappen-Schildfarn, Schuppen-Wurmfarn, Buchen- und Eichenfarn vorkommen.
Um wieder zurück zu kommen, wird es schwierig. Zwar sagt uns die Wanderkarte des Landesvermessungsamtes, das ein Pfad den Bach entlang zur Forststraße führen soll, aber hier versagt die Phantasie und auch mit viel gutem Willen, ist nicht wirklich ein Weg zu erkennen. Da im Naturschutzgebiet das Verlassen von Wegen nicht erlaubt ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als den gleichen Weg zurück zu gehen.